Holger Moch, Direktor Institut für Pathologie und Molekularpathologie, Universitätsspital Zürich

Krankheit, Leiden, Leidenschaft, Wort, Sinn, Vernunft, Lehre – diese Substantive bezeichnen die Arbeit von Holger Moch und die Pathologie, die Lehre krankhafter Vorgänge im Körper und deren Ursachen. Prof. Dr. Holger Moch ist Experte auf dem Gebiet der Pathologie, seine Zeit widmet er insbesondere der Diagnostik und Erforschung von Karzinomen. In dieser Disziplin hat sich in den letzten Jahren ein Quantensprung vollzogen.

Während früher vorwiegend die Interpretation bildgebender Verfahren und die Gewebeanalyse für die Diagnose beispielsweise von Krebspatienten in der Pathologie genutzt wurde, spielt heute die Interpretation der genetischen Information eine immer bedeutendere Rolle in der Diagnostik und damit der Wahl der optimalen Therapie. «Bis vor wenigen Jahren wurden Therapien in Abhängigkeit von der Lokalisation eines Tumors bestimmt. Heutzutage wird mittels Next-Generation-Sequencing (NGS) ein umfassendes genetisches Profil erstellt und in einem interdisziplinären Tumorboard besprochen», erklärt Holger Moch. Er ergänzt: «So kann es durchaus passieren, dass die optimale Therapie eines Nierentumors ein Medikament ist, dass für die Behandlung von Lebertumoren zugelassen wurde.»

Eine umfassende molekulare Tumoranalyse beinhaltet Bildgebung, genomische und epigenomische Analysen, Flüssigbiopsie sowie den Einsatz von Biomarkern. «Krankheits- und arzneimittelbezogene Biomarker wie beispielsweise Antikörper helfen uns dabei, die richtige Diagnose zu stellen und eine möglichst personalisierte Therapie einzuleiten», meint Holger Moch. Ein Beispiel für genomische Analysen ist die Untersuchung von Mikrosatelliten. Das sind regelmässig sich wiederholende DNA-Sequenzen. Bei Tumorzellen ist die Kontrolle der Zellteilung gestört. Im Fachjargon spricht man auch von einer Störung der Replikationskontrolle. Bei jeder Teilung der Zellen gehen besonders viele Mikrosatelliten entweder verloren oder es kommen neue dazu. Ist das DNA-Reparatursystem beeinträchtigt, häufen sich Mutationen an, die zu Krebs führen können. Vergleicht man nun die DNA in Tumorzellen mit der DNA eines gesunden Gewebes des gleichen Patienten, lassen sich mittels NGS Rückschlüsse auf die krankheitsauslösende Mutation treffen. Ist die zugrunde liegende genetische Mutation bekannt, kann man auf dieser Basis nach einer passenden Therapie suchen.

Die neuen molekulargenetischen Ansätze sollen vor allem sogenannten «Cancer of unknown primary»-Patienten zugutekommen. Bei diesen Patienten finden sich Krebsausläufer, sogenannte Metastasen, der Ursprungstumor ist jedoch nicht mehr lokalisierbar. «Wir gehen heute davon aus, dass es sich entweder um eine eigene Tumorart handelt und gar kein Ursprungstumor vorhanden war, dass sich der Ursprungstumor zurückgebildet hat oder dass der Primärtumor zu klein ist, um detektiert werden zu können», erklärt Holger Moch. Aktuell läuft eine gross angelegte, internationale klinische Studie mit Beteiligung des Universitätsspitals Zürich mit Patienten, bei denen der Ursprungstumor nicht lokalisiert werden kann. Ziel ist es, diesen Menschen mithilfe einer umfassenden molekularen Tumoranalyse eine bessere Behandlungsoption zu bieten und damit die Überlebensrate nach Diagnosestellung, die derzeit knapp unter einem Jahr liegt, massgeblich zu verbessern.

Holger Moch und sein Team fokussieren ihre Forschungsarbeit auf die Entschlüsselung genetischer Veränderungen, die in Bezug zu Nierenkarzinomen stehen. Im Juli dieses Jahres konnte die Gruppe im Mausmodell zeigen, dass die genetische Expression von IL-8 und CXCR1 mit einer bestimmten Form von Nierenzellkarzinomen in Verbindung steht. Die Erforschung dieser genetischen Grundlagen ist die Basis für die Entwicklung neuer, innovativer Therapien.

Prof. Dr. Holger Moch wurde 1962 in Berlin geboren. Er studierte Medizin an der Humboldt Universität in Berlin, von der ihm im Jahr 1988 auch sein Doktortitel verliehen wurde. Für seine Habilitation wechselte Holger Moch an die Universität Basel. Dort war er von 2001 und 2003 als Assistenzprofessor tätig. Im Jahr 2004 erhielt Holger Moch eine ordentliche Professur am Universitätsspital Zürich, die ihn 2010 zum Direktor des Instituts für Pathologie und Molekularpathologie ernannte. Holger Moch trug die Verantwortung für die weltweit gültige WHO-Klassifikation von Prostata-, Nieren- und Harnblasentumoren und ist kürzlich von der WHO zum «Standing Member» des Editorial Boards der WHO-Klassifikation aller menschlichen Tumore ernannt worden. 2019 wurde Holger Moch zum Präsidenten der Europäischen Gesellschaft für Pathologie gewählt.