Prof. Dr. Julia Vorholt, Institut für Mikrobiologie, ETH Zürich
Julia Vorholt erkannte schon während ihrer Schulzeit, dass die für sie spannenden Objekte erst unter dem Mikroskop zum Vorschein kommen. Nach dem Studium der Biologie war daher eine Dissertation im Fach Mikrobiologie für sie die logische Konsequenz. «Bakterien bedecken zu Millionen jeden einzelnen Quadratzentimeter unserer Erde und sind wahre Überlebenskünstler. Man findet sie an Extremstandorten wie heissen Quellen, extrem salzreichen Seen oder in Gebieten mit für uns toxischen Stoffen», erklärt Julia Vorholt.
Einer dieser Extremstandorte ist die sogenannte Phyllosphäre, die die Forscherin mit ihrem Team untersucht. Dieser Bereich der Pflanzen bezeichnet die Oberfläche von Blättern, welche den Lebensraum für eine Vielzahl von Bakterien bilden. Die Phyllosphäre stellt damit die grösste biologische Oberfläche der Erde dar und verlangt von ihren Bewohnern, aufgrund der relativen Nährstoffarmut und der ständig wechselnden klimatischen Bedingungen, ein Höchstmass an Anpassungsfähigkeit. Julia Vorholt und ihr Team untersuchen diese Pflanzen-Bakterien-Beziehung und wollen unter anderem herausfinden, ob nicht nur für die Bakterien, welche die Ausscheidungsprodukte der Pflanze als Nährstoffquelle nutzen, sondern auch für die Pflanze ein Vorteil besteht.«Dazu untersuchen wir den Stoffwechsel der Bakterien, dessen Regulation sowie den Nährstofffluss zwischen Pflanze und Bakterium», erläutert die Forscherin.
In einer kürzlich im renommierten Wissenschaftsmagazin «Science» erschienenen Studie widmete sich die Forscherin der Frage, ob es manchen Bakterien auch möglich ist, ein Leben ohne Phosphor zu führen und damit gegen eine Grundregel des Lebens zu verstossen, die besagt, dass alle Organismen dieser Erde aus den sechs Grundelementen Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff, Schwefel und Phosphor aufgebaut sind. Entsprechend gross war die Aufregung, als im Jahr 2010 amerikanische Wissenschaftler in einem extrem salz- und arsenhaltigen See ein Bakterium identifiziert hatten, welches anstelle von Phosphor, Arsen in seine Erbinformation und in seine Eiweisse einzubauen schien. Diese Erkenntnis wurde unter anderem als Anhaltspunkt für die Möglichkeit des Entstehens von Leben auch ausserhalb der Erde interpretiert. Das Team von Julia Vorholt suchte daraufhin erstmals mittels hochauflösender Massenspektrometrie nach arsenhaltigen Vorstufen für komplexe Biomoleküle in diesem Bakterienstamm. Die Wissenschaftler fanden dabei einige wenige arsenhaltige Moleküle, darunter auch Zuckermoleküle, jedoch entstanden diese Verbindungen spontan und wurden nicht aktiv von diesem Bakterium gebildet. Die weiteren Arbeiten zeigten dann, dass diese Bakterien einen funktionierenden Phosphatstoffwechsel besitzen und nicht in der Lage sind, arsenhaltige Moleküle zu metabolisieren. Die Erbinformation enthält daher auch wie in jedem uns bisher bekannten Organismus Phosphat. Wie kommt es aber, dass dieses Bakterium in einer solch arsenreichen Umgebung gefunden wurde? Julia Vorholt beschreibt dies folgendermassen: «Die Mikroorganismen sind äusserst effizient in der Aufnahme von Phosphat und können so trotz hoher Arsenkonzentration in ihrer Umgebung genügend Phosphat für ihren Stoffwechsel gewinnen. Das macht die ‹Arsenbakterien› zu wahren Überlebenskünstlern.»
Julia Vorholt wurde in Düren geboren und studierte Biologie an der Philipps-Universität in Marburg. Nach erfolgreicher Dissertation im Feld Mikrobiologie ging sie für weitere Studien 1998 nach Seattle. Es folgten Gruppenleiterpositionen am Max-Planck-Institut in Marburg und am Laboratoire des Interactions Plants Microorganismes in Toulouse. Seit 2006 ist sie Professorin für Mikrobiologie an der ETH Zürich.
Publikationen
Elias, M. et al., 2012: The molecular basis of phosphate discrimination in arsenate-rich environments; Nature, 491:134–137.
Erb, T. et al., 2012: GFAJ-1 Is an Arsenate-Resistant, Phosphate-Dependent Organism; Science, 337: 467-470.
Vorholt, J. A., 2012: Microbial life in the phyllosphere; Nature Reviews Microbiology, 10: 828-840.