Prof. Dr. Vassily Hatzimanikatis, Laboratory of computational systems biotechnology, EPFL
Die Komplexität, mit welcher ein Organismus aufgebaut ist und wie er funktioniert, wird bis heute nicht im Detail verstanden. Viele Stoffwechselvorgänge sind so vielschichtig, dass ihre Funktionsweise erst am Computer berechnet werden muss, bevor man sie im Tiermodell bestätigen kann. Prof. Hatzimanikatis und sein Team sind Spezialisten, wenn es darum geht, komplexe biologische Systeme am Computer – in silico – zu modellieren. Als Grundlage für ihre Berechnungen dienen ihnen Forschungsergebnisse aus den Bereichen der Biochemie, Energetik, Biophysik und Molekularbiologie. Diese werden am Computer in mechanistische mathematische Modelle umgewandelt, welche anhand verschiedenster computergestützter Methoden analysiert werden können. Die Ergebnisse haben zum Ziel, die Grundlagenforschung als auch die pharmazeutische und industrielle Biotechnologie voranzutreiben.
Prof. Hatzimanikatis und sein Team arbeiten an der Entwicklung von Methoden, welche die Entdeckung neuer Biotransformatoren vorantreiben sollen. Seine Gruppe entwickelte das Framework BNICE.ch (Biochemical NetworkIntegrated Computational Explorer), welches es ermöglicht, jede mögliche biochemische Reaktion aus einem bestimmten Satz enzymatischer Regeln und Start- oder Zielverbindungen zu erzeugen. Die von Prof. Hatzimanikatis und seiner Gruppe entwickelte Methode basiert auf experimentellen Studien und bioinformatischen Analysen. Ziel ist es, die neuen Signalwege, welche mithilfe von BNICE.ch generiert wurden, in Wirtsorganismen auf ihre Auswirkungen auf deren Stoffwechsel zu analysieren. Dass das System funktioniert, zeigen folgende Beispiele: Mithilfe von BNICE.ch gelang es der Gruppe, neue Stoffwechselwege der 3-Hydroxypropionsäure (3HP) zu finden. 3HPist ein wichtiger Stoff, welcher in der Industrie verwendet wird, um fossile Brennstoffe herzustellen. Die neu entdeckten Stoffwechselwege, welche derzeit experimentell analysiert werden, ermöglichen es, 3HP aus erneuerbaren Rohstoffen, wie beispielsweise aus Zucker oder landwirtschaftlichem Abfall, herzustellen. Ein weiteres Beispiel sind neu gefundene Stoffwechselwege im Fettstoffwechsel von Hefen und Menschen, welche BNICE.ch aufdeckte. BNICE.ch stellt Theorien auf, um die Lücken in unserem Verständnis von enzymatischen Reaktionen, welche in der Synthese sowie der Regulation von Fetten eine Rolle spielen, zu schliessen. Dieses Wissen wird die Anstrengungen unterstützen, neue therapeutische Eingriffe für Krankheiten zu entwickeln, welche den Fettstoffwechsel betreffen. Prof. Hatzimanikatis ist zudem führend auf dem Gebiet der Bioenergetik, und sein Team ist eines der ersten, das Methoden für die metabolische Netzwerk-Thermodynamik entwickelte. Diese werden vor allem bei der Evaluation neuer und bekannter Signalwege sowie im Bereich Metabolic Engineering eingesetzt.
In einem anderen Projekt entwickelte das Team ein neues Framework zur Bildung kinetischer Modelle metabolischer Netzwerke. Kinetische Modelle können dazu genutzt werden, um im Computer zu simulieren, wie Veränderungen metabolischer Eigenschaften, erzeugt durch genetische Manipulation oder Mutationen, die Leistungsfähigkeit des Metabolismus beeinflussen. Hatzimanikatis und sein Team nutzen diese Simulationen kinetischer Modelle, um Organismen mit einem effizienteren Metabolismus zu erzeugen sowie zur Identifikation neuer Ziele, um Krankheiten, welche den Metabolismus betreffen, zu behandeln. Die grosse Herausforderung liegt dabei in der Ungewissheit, da viele detaillierte Informationen innerhalb einer Zelle noch unbekannt sind. Mithilfe von ORACLE (Optimization and Risk Analysis of Complex Leaving Entities), einer Methode, welche die Gruppe von Prof. Hatzimanikatis entwickelte, können der Metabolismus eines Organismus simuliert und genetische Eingriffe modellhaft erzeugt werden, damit die Leistungsfähigkeit des Metabolismus erhöht wird. Mit diesem mächtigen Ansatz können neue Angriffspunkte für Medikamente gefunden werden.
Die Methoden, welche im Labor von Prof. Hatzimanikatis entwickelt wurden, werden in vielen kollaborativen akademischen Projekten, insbesondere innerhalb SystemsX, der Schweizer Initiative für Systembiologie, als auch für die Forschung und Entwicklung im Energiesektor, im Gesundheitswesen und in der Lebensmittelindustrie verwendet. Diese Studien erforschen ansteckende Krankheiten, den menschlichen Stoffwechsel, die Nahrungsaufnahme über den menschlichen Darm und die Produktion von Brennstoffen und Chemikalien aus erneuerbaren Energien.
Prof. Hatzimanikatis erhielt 1991 sein Diplom im Bereich Chemieingenieurwesen von der Universität Patras in Griechenland. Für seine Doktorarbeit zog es ihn in die USA, wo ihm im Jahr 1996 der Doktortitel vom California Institute of Technology verliehen wurde. Während dieser Zeit und bis 1997 leitete er eine Gruppe an der ETH Zürich. Bevor er als Assistenzprofessor an die EPFL berufen wurde, war Prof. Hatzimanikatis Assistenzprofessor an der Northwestern University in Evanston, Illinois. Darüber hinaus arbeitete er unter anderem für DuPont und Cargill wo er Biokatalysatoren für die Produktion von Industriechemikalien entwickelte.