Prof. Emmanouil T. Dermitzakis, Department of Genetic Medicine and Development, University of Geneva Medical School
Als Watson und Crick im Jahr 1953 die Struktur unseres Erbguts, der Desoxyribonukleinsäure (DNA), aufdeckten, konnten sie noch nicht ahnen, welche Bedeutung den Nukleinbasen für die Gesundheit des Menschen zukommen würde. Selbst nach dem Humangenomprojekt, das zum Ziel hatte, die komplette Abfolge der DNA-Sequenz eines Menschen zu entziffern, war schnell klar, dass das Genom und somit die Gesamtheit unseres Erbguts viel komplexer ist, als bisher angenommen. Heute werden in gross angelegten Studien (genomweite Assoziationsstudien) viele Genome entschlüsselt und miteinander verglichen. Man sucht bestimmte genetische Varianten, Unterschiede in exakt identischen Regionen verschiedener Individuen, um dadurch Rückschlüsse auf bestimmte Krankheiten ziehen zu können. Seit 2010 läuft das Projekt GTEx: Ein Konsortium verschiedener Forschungsgruppen aus der ganzen Welt arbeitet zusammen, um herauszufinden, wie die Aktivität verschiedener Gene in bestimmten Geweben zur Krankheitsbildung beiträgt. Prof. Emmanouil T. Dermitzakis ist Koleiter dieses Projekts und stützt sich für seine Forschungsarbeit auf die Ergebnisse dieses Grossprojektes.
Die prädiktive Medizin beurteilt die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Person an einer bestimmten Krankheit erkrankt. Als Grundlage dient dabei meist unser Erbgut (Genom). Prof. Emmanouil T. Dermitzakis und sein Team möchten herausfinden, wie genetische Varianten die Aktivität bestimmter Gene beeinflussen. Ihr Ziel ist es, die Varianten zu finden, die die Fähigkeit besitzen, eine Krankheit auszulösen. In ihrer kürzlich veröffentlichten Studie im Fachjournal Nature Genetics beschreiben sie eine Methode (CaVEMaN), mit der man imstande ist, einen Zusammenhang zwischen einer genetischen Variante und deren Einfluss auf die Aktivität eines Gens herzustellen. Dank des GTEx-Projekts weiss man, dass genetische Varianten je nach Gewebe einen anderen Einfluss auf die Aktivität eines bestimmten Gens haben können. «Die neue Methode schafft die Möglichkeit, personalisierte regulatorische Varianten durch Analyse des Erbguts eines Individuums zu ermitteln, und bildet damit die Basis für eine personalisierte Krankheitsdiagnostik», erklärt Prof. Dermitzakis.
Die Forscher gingen noch einen Schritt weiter, indem sie genetische Varianten und deren Einfluss auf die Aktivität bestimmter Gene in verschiedenen Geweben für bestimmte Krankheitsrisiken wie Schizophrenie, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes bestimmten. Die Gruppe von Prof. Dermitzakis konnte beispielsweise zeigen, dass genetische Varianten im Hirngewebe eine enge Verbindung zu der psychischen Krankheit Schizophrenie aufweisen. Diese Forschungsergebnisse wurden ebenfalls kürzlich in Nature Genetics veröffentlicht. Interessant war jedoch, dass auch genetische Veränderungen im Dünndarm eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung von Schizophrenie spielen. «Ein besseres Verständnis darüber, wie genetische Varianten Krankheiten beeinflussen, bilden den ersten Schritt hin zu einer personalisierten Krankheitsprävention», betont Prof. Dermitzakis.
Prof. Dermitzakis wurde 1972 in Heraklion geboren und studierte an der Universität Kreta Biologie. Seinen Doktortitel erhielt er im Jahr 2001 von der Pennsylvania State University unter der Betreuung von Prof. Andrew G. Clark. Von 2001 bis 2004 vertiefte Emmanouil T. Dermitzakis als Postdoktorand seine Genomforschung im Labor von Prof. Stylianos Antonarakis. Zwischen 2004 und 2009 war er zuerst als Forscher und später als Senior Forscher am weltweit anerkannten Genomforschungszentrum Wellcome Trust Sanger Institute in der Nähe von Cambridge (Vereinigtes Königreich) tätig. Seit 2009 ist er ordentlicher Professor am Department of Genetic Medicine and Development der University of Geneva Medical School und zusätzlich seit 2016 Direktor des neu gegründeten Health 2030 Genome Centers in Genf. Dieses Genomzentrum wird in Zukunft 60 bis 80 Genome pro Woche dekodieren und analysieren und soll sich als die nationale Anlaufstelle für DNA-Sequenzierungen etablieren.