Prof. Jacques Fellay, School of Life Sciences, EPFL

In unserem Genom gibt es etwa 4 Millionen Basenpaare, die sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Welche Auswirkungen haben diese Unterschiede auf die Anfälligkeit für virale Krankheiten oder auf die Wirkung von Arzneimitteln? Diese und andere Fragen stellen sich Jacques Fellay und sein Team von der ETH Lausanne.

Schon seit 1996 weiss man, warum es Menschen gibt, die resistent gegen das HI-Virus 1, den Auslöser der Krankheit Aids, sind. Diese Resistenz konnte auf eine Veränderung, eine sogenannte Mutation, im Gen CCR5zurückgeführt werden, welche bei etwa 1 % der europäischen Bevölkerung auftritt. Seit dieser Entdeckung fragen sich Forscher, ob es darüber hinaus noch weitere genetische Merkmale gibt, die eine solche Resistenz auslösen. Anfang 2013 zeigten Jacques Fellay und sein Team dann, dass neben der bekannten Mutation im Gen CCR5 in Europäern keine weiteren gemeinsamen Mutationen existieren, die eine Resistenz gegenüber dem HI-Virus 1 verursachen. Das Team untersuchte dazu 560 Patienten mit Hämophilie A, welche vor 1979 Blutplasma erhielten und damit eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine HIV-Infektion haben, und verglichen diese mit 765 HIV-infizierten Personen.

Dass so viele Jahre vergingen, bis dieses Experiment durchgeführt werden konnte, lag anfangs an fehlenden Methoden und später an den hohen Kosten dieser Methoden. Das Team von Jacques Fellay verwendete schliesslich mehrere modernste Technologien für ihre Forschung: Genomweite Assoziationsstudien – eine Suche nach spezifischen Unterschieden in den Allelen (bestimmte Ausprägungen von Genen) zwischen Kranken und gesunden Personen, Exom-Sequenzierung – eine Analyse aller Exonen einer Person (Bereiche in unserem Erbgut, welche potenziell ein Protein bilden können) sowie Transkriptomik – die Analyse aller von DNA in RNA umgeschriebenen Gene zu einem bestimmten Zeitpunkt. All diese Methoden sind erst seit ein paar Jahren grossflächig anwendbar.

Jacques Fellay, ein Verfechter der translationalen Forschung, entdeckte zudem verschiedene genetische Varianten in Patienten mit HIV, welche einen entscheidenden Einfluss auf die Wirkung bestimmter Medikamente haben. Daraufhin konnten Dosen angepasst und unerwünschte Nebenwirkungen reduziert werden. Darüber hinaus entdeckte er drei Gene, welche die Immunabwehr von HIV-Patienten positiv beeinflussen. Diese Gene könnten eventuell wichtig sein für die zukünftige Entwicklung eines Impfstoffes gegen HIV.

Jacques Fellay und sein Team befassen sich auch mit der Suche nach seltenen genetischen Veränderungen bei Atemwegserkrankungen bei Kindern oder Hepatitis B. Das Verständnis dieser Veränderungen soll eine frühzeitige Diagnose ermöglichen und einen Ansatz für mögliche Therapien bieten.

Für seine bahnbrechende Forschung wurde Jacques Fellay am 13. Januar 2013 der Nationale Latsis-Preis verliehen, eine der renommiertesten Auszeichnungen für Wissenschaftler in der Schweiz. Noch in diesem Monat erhält der Forscher zudem den Rünzi-Preis, welcher an Walliser vergeben wird, die dem Wallis besondere Ehre zukommen lassen.

Jacques Fellay wurde 1974 in Orsières (VS) geboren und studierte Medizin an der Universität Lausanne, wo er sich auf Infektionskrankheiten spezialisierte. Von 2006 bis 2010 forschte er am David Goldstein’s Center for Human Genome Variation der Duke University an der Beziehung zwischen Genen und Infektionskrankheiten. Seit 2011 ist Jacques Fellay SNF-Professor an der EPFL sowie praktizierender Arzt am Universitätsspital Lausanne.