Prof. Stylianos E. Antonarakis, Medizinische Fakultät, Universität Genf

Ein zusätzliches Chromosom 21 verursacht das Down-Syndrom. Dies ist hinlänglich bekannt. Doch wie sich dieses Ungleichgewicht der Gen-Dosis genau auf die Symptome des Down-Syndroms auswirkt, ist unklar. Die laufende Forschung von Prof. Stylianos E. Antonarakis der Medizinischen Fakultät der Universität Genf fokussiert sich auf die genetische Medizin mit dem Ziel, über genetische Variationen auf den Phänotyp einer Krankheit schliessen zu können. Der mehrfach ausgezeichnete Genetiker Prof. Stylianos E. Antonarakis publizierte kürzlich im Journal «Nature Review Genetics» den aktuellen Stand der Forschung zum Thema Down-Syndrom.

Das Genom, auch Erbgut eines Lebewesens, ist die Gesamtheit der vererbbaren Informationen (Desoxyribonukleinsäure oder kurz DNA) einer Zelle. Die DNA einer Zelle verteilt sich auf 46 Chromosomen (44 Autosomen, 2 Geschlechtschromosomen), wobei jedes Autosom doppelt vorkommt. Wenn ein Kind gezeugt wird, erhält es von beiden Elternteilen einen halben Chromosomensatz mit 23 Chromosomen. Allerdings unterliegen einige Gene auf diesen Chromosomen – etwa 100 von 20’000 kodierten Genen – dem Genomic Imprinting. Dabei ist entweder nur die von der Mutter stammende oder nur die vom Vater stammende Version aktiv, wobei die andere Kopie des Gens still bleibt. Einige genetische Krankheiten beim Menschen werden mit (fehlerhaftem) Imprinting in Zusammenhang gebracht, wie etwa das Beckwith-Wiedemann-Syndrom, Angelman-Syndrom oder Prader-Willi-Syndrom. Auch bei der Entstehung mancher Krebsarten und Diabetes ist die Beteiligung von genomischem Imprinting von Bedeutung.

Forscher an der Universität Genf, darunter auch der vielzitierte griechische Genetiker Prof. Stylianos E. Antonarakis, haben, basierend auf einer Kombination aus Biologie und Bioinformatik, eine neue Technik entwickelt, um die genomische Prägung in spezifischen Zelltypen und bei verschiedenen Individuen zu analysieren und schliesslich zu erkennen. Im Konkreten handelt es sich um eine originelle und robuste Methode, die Single-Cell-RNA-Sequenzierung und Whole-Genom-Sequenzierung zu einem optimierten statistischen Framework kombiniert. «Dieser grosse Durchbruch wird unser Verständnis und die Diagnose von genetischen Krankheiten verbessern», erklärt Stylianos E. Antonarakis, und führt weiter aus: «Nehmen wir beispielsweise die pränatale fetale Diagnose im mütterlichen Blut. Bald wird sie sich so weit weiterentwickeln, dass das komplette Genom eines Fetus aus dem Blut der Mutter gelesen werden kann. Dadurch können beispielsweise durch genomisches Imprinting verursachte Krankheiten bereits sehr frühzeitig erkannt und im optimalen Fall behandelt werden.» Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich im «American Journal of Human Genetics» veröffentlicht.

Neben dem genomischen Imprinting und anderen Projekten widmet sich die Gruppe von Prof. Stylianos E. Antonarakis insbesondere dem Down-Syndrom (Trisomie 21), dem Ergebnis einer chromosomalen Anomalie, die etwa 1 von 750 Lebendgeburten betrifft (ohne pränatale Untersuchung). Die Gesamtzahl der Gene des Chromosoms 21 ist noch nicht genau bestimmt, die aktuelle Schätzung liegt bei 240 Genen. Diese Errungenschaften bieten die Chance, Trisomie 21 besser zu verstehen. «Zusammen mit internationalen Teams versuchen wir, die spezifischen Gene auf Chromosom 21 zu lokalisieren, die mit dem Down-Syndrom in Verbindung gebracht werden, sowie auch alle Genom-Dysfunktionen zu finden. Dies soll es ermöglichen, in Zukunft eine Heilung für Trisomie 21 zu entwickeln», sagt Stylianos E. Antonarakis. Heute gibt es mehrere öffentliche und private Datenbanken, die genetische Informationen speichern und miteinander vergleichen und so Auskunft über Krankheiten, die in Zusammenhang mit Genomvarianten stehen, geben können. Für die Zukunft schlägt Prof. Antonarakis vor, dass die WHO eine zentrale Datenbank erstellt, um Genomdaten schneller und effizienter interpretieren zu können.

Stylianos E. Antonarakis wurde 1951 in Athen, Griechenland, geboren. Er studierte Medizin an der Universität Athen und schloss im Jahr 1975 mit Doktortitel (D. M.) ab. Nach einigen Jahren als praktizierender Arzt in der Pädiatrie an diversen griechischen Spitälern erhielt er einen weiteren Doktortitel (DSc) in Medizin von der Universität Athen. Als Postdoc schloss er sich anschliessend für drei Jahre der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore USA an – eine Elitehochschule, die weltweit eine führende Rolle einnimmt. Dort spezialisierte er sich unter Professor Haig H. Kazazian in der Abteilung der Pädiatrie und Genetik auf medizinische Genetik und war dort später selbst Professor für Pädiatrische Genetik, Biologie und Medizin. 1992 zog er in die Schweiz. Heute ist Stylianos E. Antonarakis Präsident der Abteilung für genetische Medizin und Entwicklung an der medizinischen Fakultät der Universität Genf, wo er auch als Professor tätig ist, und ist Direktor des IGE3-Instituts für Genetik und Genomik in Genf. Für seine Arbeit als Genetiker geniesst er internationale Anerkennung.