Früherkennung dank Flüssigbiopsien? - Krebs entdecken, bevor er wirklich da ist
Jeder fünfte Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an Krebs
Jährlich sterben weltweit rund 10 Millionen Menschen an den Folgen einer Krebserkrankung. Nach Schätzungen der WHO wird die Anzahl Krebskranker bis zum Jahr 2050 gar um 77 % steigen. Hauptgrund dafür sei, dass die Menschen im Schnitt immer älter werden und die Krebsentstehung im Laufe der hohen Lebensspanne dadurch wahrscheinlicher wird. Derzeit ist eine zu späte Diagnose eine der wichtigsten Ursachen für die hohe Todesrate in Zusammenhang mit der Krankheit.
Fehlende Symptome früher Krebsstadien verhindern rechtzeitige Diagnose
Die Symptome einer Krebserkrankung können häufig erst in einem späten Stadium der Erkrankung festgestellt werden. Häufig ist es dann, über die ursprüngliche Zellwucherung hinaus, bereits zur Bildung von Metastasen in weiteren Organen und entfernten Körperregionen gekommen. Dies erschwert den Aufwand und verschlechtert die Prognose verfügbarer Therapieansätze enorm.
«Über 90 Prozent der krebsbedingten Todesfälle rühren daher, dass die Krankheit zu spät entdeckt wird, in einem Stadium, in dem sich bereits Ableger gebildet haben.»
(Theres Lüthi, im Artikel von NZZ am Sonntag)
Im Körper zirkulierende Tumor-Signale können Krebs anzeigen
Für die meisten Krebsarten gibt es derzeit noch keine Methode zur Früherkennung. Ein vielversprechender Ansatz ist jedoch die Detektion sogenannter zirkulierender Tumor-DNA, kurz «ctDNA». Dabei handelt es sich um Erbmaterial früher Tumorzellstadien, welche zum Beispiel im Blut der Betroffenen vorliegen. Das menschliche Immunsystem kann bereits früh während einer beginnenden Tumorbildung wuchernde Zelltypen erkennen und erwirkt deren Abtötung. Infolgedessen werden die toten Zellen in ihre Grundbestandteile aufgelöst und geben die ctDNA-Fragmente in den Blutkreislauf ab.
Unterscheidung nach Organ und Zelltyp möglich
Der Einsatz von Bluttests könnte zukünftig dabei helfen, Krebserkrankungen frühzeitig zu erkennen. Im Rahmen des Kongresses der European Society for Medical Oncology (ESMO) 2023 haben Forscher:innen einen Multikrebstest vorgestellt: Mithilfe des Tests sollen 50 unterschiedliche Krebsarten detektiert werden können. Dabei erkennt der Test unterschiedliche Muster in der ctDNA der Tumorzellen (sogenannte «Methylierungen»), die sich je nach betroffenem Organ und Zelltyp unterscheiden.
Bluttests zur Früherkennung: Derzeit noch zu unzuverlässig
In einer vorangegangenen Studie unter Einbezug von Menschen ohne bekannte Krebserkrankung wies der Test bei 1,4 % der Betroffenen auf eine Krebserkrankung hin. Der Krebsbefund konnte in immerhin 38 % der Fälle mittels konventioneller Diagnoseverfahren (wie Bildgebung & Biopsie) bestätigt werden. Bei den Personen, die tatsächlich keine Krebserkrankung vorwiesen, zeigte der Multikrebstest gar in 99,1 % der Fälle ein richtiges, negatives Testergebnis an. Für den tatsächlichen Einsatz zur medizinischen Krebsprävention und -früherkennung müsse der Test aber noch sensitiver werden:
«Falsch positive Tests sind der Horror für ein Früherkennungssystem», erklärt der Krebsforscher Prof. Dr. Klaus Pantel gegenüber der NZZ. «99,1 Prozent Spezifität klingt zunächst einmal toll. Aber dann ist immer noch fast 1 Prozent falsch positiv. Wenn man 5 Millionen Schweizer auf diese Weise screent, würde man fast 50 000 Menschen fälschlicherweise sagen, dass sie Krebs hätten.»
Klaus Pantel ist Direktor des Instituts für Tumorbiologie am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf.
Gerade zum Zweck der Früherkennung muss der Test noch weiterentwickelt werden – So scheiterte er häufig gerade an der Detektion besonders früher Tumorstadien. Dennoch versprechen entsprechende Tests, neu auftretende, so wie auch wiederkehrende Tumore zukünftig zuverlässiger anzeigen zu können.