Prof. Dr. Renato Paro, D-BSSE, ETH Zürich und Faculty of Science, Universität Basel

Was passiert auf zellulärer Ebene bei einer Organregeneration? Welche Vorgänge innerhalb eines Organismus sind dafür verantwortlich, dass neues Gewebe überhaupt erst entstehen kann oder dass es bei diesem zu Krebswachstum kommt? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigen sich Prof. Dr. Renato Paro und seine Gruppe im Departement für Biosysteme an der ETH Zürich in Basel. Dank ihrer Forschungsergebnisse wissen wir mehr darüber, wie Wundheilung funktioniert oder wie sich neues Gewebe plötzlich unkontrolliert zu teilen beginnt.

Eine Herzzelle unterscheidet sich in ihrer Form und ihrer Funktion deutlich von einer Hautzelle, obwohl beide identisches Erbgut tragen. Wie ist das möglich? Ein Grund liegt in der Epigenetik:

Bestimmte Proteine (Histone) verpacken die Erbsubstanz DNS im Zellkern zu einem Gerüst, welches als Chromatin bezeichnet wird. Wird diese Struktur aufgelockert, führt dies zur Aktivierung von Genen. Proteine der Polycomb- und Trithorax-Gruppe regulieren diese Aktivität, indem sie chemische Signale an die Histone heften. Diese Signale dienen der Zelle nicht nur, um ein bestimmtes Genmuster zu generieren, welches kennzeichnend für jeden Zelltyp ist, sondern auch für die Vererbung der Genaktivitätsmuster auf die beiden Tochterzellen. Diesen Prozess nennt man «Zellgedächtnis». Er stellt sicher, dass Zellen auch nach einer Teilung ihre zugewiesene Funktion in einem Organ beibehalten und erfüllen.

Bei Regenerationsprozessen müssen Zellen umprogrammiert und an neue Funktionen angepasst werden. Das heisst, das Zellgedächtnis und damit auch die epigenetischen Markierungen müssen verändert werden. Bisher war Forschern allerdings unklar, wie dies in einem komplexen Organismus geschieht. Renato Paro und sein Team konnten anhand des Modellorganismus Drosophila melanogaster zum ersten Mal zeigen, dass bestimmte Signalübertragungsmechanismen die Proteine der Polycombgruppe verändern und damit Zellen für die Wundheilung und Regeneration umprogrammieren. «Dieses grundlegende Verständnis, wie das Zellgedächtnis verändert wird, hilft uns, neue Ansätze zu finden, um die regenerative Medizin voranzutreiben», erklärt Renato Paro.

Krebs ist vornehmlich eine genetische Krankheit, was sich auch anhand der vielen Mutationen in der DNS von Krebszellen nachweisen lässt. Epigenetische Prozesse scheinen aber auch bei der Krebsentstehung eine wichtige Rolle zu spielen. So sind zum Beispiel in Krebszellen viele der epigenetischen Signale auf den Histonen verändert. Im Labor von Renato Paro konnte gezeigt werden, dass durch eine falsche Steuerung von Polycombproteinen Krebswachstum erzeugt werden kann. Interessanterweise zeigen diese Krebszellen in Drosophila melanogaster keine genetischen Veränderungen. «Dies könnte darauf hindeuten, dass auch bei der Krebsentstehung im Menschen zuerst epigenetische Mechanismen ausser Kontrolle geraten und erst in einer späten Phase genetische Instabilität auftritt, die dann als hohe Mutationsanhäufung in Krebsgewebe sichtbar wird», fügt Renato Paro an.

Renato Paro wurde 1954 in Italien geboren. Er studierte Molekularbiologie an der Universität Basel und promovierte dort im Bereich Zellbiologie im Labor von Prof. em. Dr. Walter Gehring. Sein Postdoktorat verbrachte er an der University of Edinburgh und der Stanford University. Im Anschluss führte er eine eigene Gruppe am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg, wo er 1999 zum Professor und 2001 zum Direktor berufen wurde. Im Jahr 2006 ernannte man ihn zum Gründungsdirektor des Departements für Biosysteme der ETH Zürich (D-BSSE) in Basel. Heute leitet Prof. Dr. Renato Paro dort die Epigenomik-Gruppe. Zudem ist Renato Paro Professor an der Phil.-Nat. Fakultät der Universität Basel.

Ender Konukoglu, Associate Professor für Biomedical Image Computing an der ETH Zürich

Prof. Pedro Beltrao

Prof. Pedro Beltrao, Institut für Molekulare Systembiologie, ETH Zürich

Janna Hastings, Professorin für «Medical Knowledge and Decision Support» (Brückenprofessur der Universität Zürich und der Universität St. Gallen)

Tobias Kowatsch, Professor für Digital Health Interventions an der Universität Zürich (UZH), Direktor der School of Medicine an der Universität St.Gallen (HSG) und Scientific Director, Centre for Digital Health Interventions (UZH, HSG & ETH Zürich)